Ibiza ist schon seit Jahrhunderten eine Insel der Vagabunden. Sie kommen und gehen und hinterlassen ihre kulturellen Spuren. Zwei Vagabunden der Neuzeit sind die Vagabundos de Lujo mit ihren Gitarren. Wir haben uns mit Barish getroffen, der uns im Interview viel über sein Leben auf Ibiza und die gemeinsamen Erlebnisse mit seinem musikalischen Partner Denis erzählt hat.
Schon in den 70er Jahren kam Barish Kasiak das erste Mal nach Ibiza. Seine Eltern waren große Ibizafans. Sie verbrachten ihre gesamte Urlaubs- und Freizeit hier und waren fast durchgehend auf der Insel. Als für ihn und seine Schwester die Schulzeit begann, war es aber erstmal aus mit Ibiza und die Familie zog zurück nach Deutschland. Nach der Schule begann für Barish das Leben als reisender Musiker – zuerst in Amerika, dann in Spanien, danach als Band- und Studiogitarrist in Deutschland. Ende der 90er traf die große Krise der Musikwirtschaft auch die Arbeit von Barish, denn das große Geld für Studiomusiker und Gastkünstler wurde von den Plattenfirmen nicht mehr bezahlt, bis es dann gar keine Aufträge mehr gab.
„Ich bin dann ein paar Tage und Nächte über den Kiez in Hamburg gestromert und habe mir Gedanken gemacht, wie es weitergehen soll. Lange hat das Nachdenken aber nicht gedauert und mir war ziemlich schnell klar, dass ich sofort nach Ibiza zurück muss. Wenn schon draußen schlafen, dann auf jeden Fall da, wo es warm ist. In Deutschland konnte ich in meiner Situation auch nicht mehr bleiben, da man ja von allen komisch angeschaut wird, wenn man nichts mehr hat. Auf Ibiza ist das aber kein Problem, da nicht als aller erstes das Äußere und der Status zählt.“
Zurück zu den Eltern, die mittlerweile wieder auf Ibiza lebten, kam für einen Typen wie Barish aber nicht in Frage. Deshalb machte er es sich erstmal im Nordosten im Freien gemütlich.
„Die erste Zeit habe ich mich in der Gegend von Aguas Blancas rumgetrieben. Ich habe mir dort ein kleines Lager mit ein paar Stöcken und einem Sonnensegel eingerichtet, was mir voll gereicht hat. Tagsüber habe ich meine Gitarre ausgepackt und ein bisschen gespielt. Den Touristen hat es gefallen und sie haben mir ein paar Münzen, oder ein paar Zigaretten in den Gitarrenkoffer geworfen. Da im Norden der Insel sowieso nur Freaks unterwegs waren, haben sie mich auch oft auf ein Bier eingeladen, oder mir was zu Essen mitgebracht. Nachts wenn die Badegäste weg waren, bin ich in die Clubs der Insel gegangen, da ich genügend Leute kannte, die mich immer umsonst irgendwo reingebracht haben. Das hat mich an Ibiza auch direkt wieder geflasht, da es keinen interessiert hat wie ich aussah, was in Hamburg undenkbar gewesen wäre.“
Die Vagabundos de Lujo treffen aufeinander
„Eines morgens bin ich aufgewacht, weil ein paar Meter weiter an meinem Strand ein anderer Typ mit einer Gitarre saß und gespielt hat. Anstatt uns gegenseitig das Geschäft kaputt zu machen und Stress anzufangen, haben wir uns sofort zusammengetan und zusammen gespielt. Dieser Typ war der Russe Denis, mit dem ich bis heute gemeinsam unterwegs bin.“
Im Doppelpack ging es für Barish und Denis mit ihren Gitarren im Gepäck dann vom Strand zuerst an die Promenade von Santa Eularia, von dort in eine der Bars und dann zu regelmäßigen Gastspielen auf der ganzen Insel. Sicher erinnern sich einige der Ibizenker noch an die zwei Verrückten, die im qualmenden Volvo zu ihren Auftritten gefahren sind und ihn bei der Ankunft immer erstmal löschen mussten. Beim ersten Mal waren die Flammen im Motor für die beiden noch etwas beängstigend, passiert ist aber nie etwas und der Wagen hat sie auch zuverlässig über die Insel gebracht. Durch eine eher zufälliges Engagement kam in dieser Zeit auch der heutige Bandname zustande.
„Wir hatten an einem Abend wieder mal für ein paar Bier und ein Abendessen in einer Bar gespielt, als uns jemand ansprach, dass sie eine Party auf einer Villa feiern und uns gerne dabei hätten. Angelockt durch die Gage haben wir sofort ja gesagt und waren dann Teil der dreitägigen Party. Wir haben immer wieder ein paar Songs gespielt, dann gemeinsam mit dem DJ gejammt und wieder gechillt. Als sich die Feier dem Ende zuneigte, mussten die Besitzer des Hauses schnell für zwei Wochen nach New York abreisen. Irgendwie hatten sie aber niemanden, der sich so lange um ihre Hunde kümmerte und da kamen wir beide ihnen genau recht. Leider war außer ein paar Flaschen Champagner und einer Packung Cornflakes nach der tagelangen Party nichts mehr im Haus und ein Auto um Einkaufen zu fahren hatten wir nicht. Die zwei Vagabunden waren also im Luxus gefangen und die Vagabundos de Lujo geboren.“
Da Ibiza für Rockbegeisterte und Livemusiker wenige Angebote bietet sind die Vagabundos de Lujo hauptsächlich im Ausland unterwegs. Einige Jahre haben sie eine Popsängerin als Tourmusiker begleitet, auf verschiedenen Festivals gespielt und gemeinsam drei Studioalben aufgenommen. Im Jahr 2013 kam dann ein Lichtblick ins Rockleben auf Ibiza, als der deutsche Musiker und Ibizaliebhaber Stephan Weidner den Club Grial am Jachthafen übernahm und dort regelmäßige Rockabende etablierte. (Ein Interview mit Stephan Weidner gibt es auch hier im Ibiza Diary.)
„Für die Rock- und Metalfans war der Laden die große Erlösung. Die Betreiber und das Personal sind so cool und lässig, dass man sein Motorrad einfach auf der Terrasse parken kann. Ich habe sogar mal einen Abend erlebt, als einer der Gäste sein Moped auf die Tanzfläche gestellt hat und den Club mit dem Auspuff zugeraucht hat. Da Stephan selbst auch oft im Grial abhängt, das mittlerweile Veto heißt, haben wir uns öfter mal unterhalten und mit der Zeit angefreundet. Vergangenen Winter saß ich dann mal abends bei Stephan zu Hause und er hat mir am Tisch zugesagt, dass wir sein Supportact werden, wenn er mit seiner Band mal wieder auf Tour gehen sollte. Ein Mann, ein Wort, im April waren wir dann auf der gesamten Tour mit dabei.“
Wenn Barish von seinen Touren und seinem Leben als Musiker erzählt, merkt man, dass er schon viel gesehen und erlebt hat. Trotzdem ist Ibiza für ihn der schönste Platz auf der Erde, den er auf keinen Fall eintauschen möchte.
„Ibiza hat einen ganz besonderen Vibe, den es sonst nirgends gibt. Du hast auf der einen Seite die Superreichen, die mit ihren Jachten am Hafen anlegen und dann im Pacha 100.000 Euro die Nacht auf den Kopf hauen und nicht weit davon entfernt findest du noch das traditionelle, ruhige Inselleben. Ich habe selbst einige Zeit im Norden in einer Höhle gelebt und nur wenige Kilometer weiter ist der wildeste Partyplatz Europas. In der Mitte der 90er wurde die Insel wie mit einem Schwert in zwei Teile gespalten. Es gibt jetzt eine Art Trennlinie von San Antonio über Santa Gertrudis nach Santa Eularia. Dort trennen sich zwei Welten die in Bezug auf Lifestyle, Tempo und Geldverständnis absolut nichts miteinander zu tun haben. Diese krassen Gegensätze gibt es nur hier und ich finde, da passe ich doch ganz gut rein.“
Wir haben selten jemanden getroffen, der in das heutige Ibiza so gut passt wie Barish. Ein Vagabund, der sich zwischen Hippieliefestyle und Nachtleben bewegt und sich darin komplett zu Hause fühlt.
Lieber Barish, vielen Dank für die Einblicke in dein Leben, deine Geschichten und deine tiefe Verbindung zu Ibiza!
Im Rahmen ihrer großen Tour im April 2016 haben die Vagabundos de Lujo auch ihr neues Album „20 Fingers“ releast. Auf 13 Tracks zeigen die beiden, wie virtuos und kreativ man auf 2 Gitarren unterwegs sein kann und spielen die komplette Bandbreite von rockig, über melancholisch bis verträumt durch. Charakteristisch bei allen Songs ist die südländische Grundstimmung, die bei zwei auf Ibiza lebenden Musikern natürlich dazu gehört. Bei iTunes und Amazon gibt es das Album zu kaufen und auch mit Soundfiles vorzuhören. Wo Barish und Denis live unterwegs sind findet man immer auf ihrer Homepage und auf ihrer Facebookseite.