Formentera Reiseführer-Autor Niklaus Schmid im Interview

Unser Bücherregal ist voll davon: Reiseführer über Ibiza und Formentera. Die meisten befassen sich mit den Fakten, der Geschichte und den Orten der Pityusen, es sind aber auch immer wieder ganz besondere Exemplare mit dabei. So wie der Formentera Reiseführer von Niklaus Schmid. Er ist ein sehr persönlicher Guide, in dem der Autor den Leser an die Hand nimmt und ihm seine Insel vorstellt.

Niklaus Schmid
Niklaus Schmid vor seiner Finca auf Formentera

Eigentlich wollten wir den „Etwas anderen Reiseführer“ von Niklaus Schmid vor einem Besuch auf Formentera nur mal durchblättern, um uns ein paar Tipps über Ibizas Nachbarinsel zu holen. Die Geschichten und Erlebnisse im Formentera Reiseführer sind aber so packend geschrieben, dass wir ihn an zwei Abenden komplett durch hatten. Für uns war danach sofort klar: wir müssen Niklaus Schmid kennen lernen, um in einem Interview mehr über sein Leben auf Formentera und seine Arbeit zu erfahren. Nach ein paar netten Emails war ein passendes Datum gefunden und eine Einladung in seine Finca in unserem Postfach. Als wir ihn auf Formentera trafen, erzählte er uns, wie er auf Formentera gelandet ist und über seinen Werdegang als Krimi- und Reisebuchautor.

Wann und wie sind Sie auf Formentera angekommen?

Das war 1977. Aber vor dieser Ankunft lag ein langer Umweg. Und der begann schon 1973, als ich mich mit einem Freund von Duisburg aus auf den Weg in Richtung Süden machte, in einem VW-Bus. Wir dachten, dass die Reise ein halbes Jahr dauern könnte. Doch schon auf Kreta blieben wir drei Monate, wo wir Typen – Traveller, Hippies, Aussteiger – trafen, die uns auf die Idee brachten, weiter in die Türkei zu reisen. Als Treffpunkt nannten sie den Pudding-Shop in Istanbul. Dort bekamen wir weitere Tipps: Einige sprachen vom Green Hotel in Kabul andere erwähnten das Salt & Pepper in Kathmandu und immer wieder hörten wir den Spruch: „Hey man see you Christmas in Goa.“ Mit anderen Worten: Wir befanden uns auf dem Hippie Trail. Irgendwann landeten wir auf den Seychellen, wo ich auf der kleinen Insel La Digue auch meine Frau Brigitte kennenlernte.

Auf die Seychellen mit dem VW-Bus?

Guter Einwand! Ich war ein bisschen zu schnell. Denn inzwischen hatten wir, um unsere Reisekasse aufzufüllen, unseren Bus in an den deutschen Botschaftsarzt in Nairobi verkauft. Aber auch das Geld war irgendwann aufgebraucht, was eigentlich das Ende unseres Trips bedeutet hätte. Glücklicherweise traf ich dann auf der Hauptinsel Mahé einen Jachtbesitzer, der zwei Leute nach dem Modell Hand für Koje suchte. Ziel Südafrika. Doch auf dem Törn ging fast alles schief. Segel kaputt, Motorausfall. Was nicht ungefährlich war, mir aber Stoff für eine Story lieferte. Als wir schließlich, abgeschleppt von einem Frachter, im Hafen von Durban ankamen, packte ich meine Reiseschreibmaschine aus. Dass die Story in der Zeitschrift „Yacht“ veröffentlicht wurde, ermunterte mich, mit dem Schreiben weiterzumachen. Weil Veröffentlichungen außerhalb Europas damals ohne Internet noch sehr schwierig waren und ich auch die Nähe zu meiner Muttersprache suchte, entschied ich mich, sobald wie möglich nach Europa zurückzukehren. Sobald, na ja. Denn zuvor war da noch dieser Törn nach Rio mit der Weiterreise nach Buenos Aires sowie diese Sache mit den Hängematten in Asunción Paraguay. Ach, ich muss das abkürzen. Wir wollen doch über Formentera sprechen, oder?

Und wie sind sie dann 1977 auf Formentera angekommen?

Als ich, mit einem Segelboot von Gran Canaria kommend, im Hafen La Savina ankam, habe ich mir ein Fahrrad geschnappt und bin über die Insel gefahren. Der Thymian blühte, überall war das Meer zu sehen und zu riechen und ich dachte: Da hast du vier Jahre lang den für dich idealen Ort zum Leben und Schreiben gesucht – und ihn hier schließlich auf Formentera, sozusagen vor der Haustür, gefunden. Tolles Gefühl. Doch schnell tauchte die Frage auf, ob ich überhaupt bleiben konnte. Wovon leben? Die Gesetze waren 1978 in Spanien, was die Arbeit für Ausländer anging, sehr streng. Schreiben, ja das ging. Und ich hatte Glück.

Worin bestand das Glück?

Das Buch "Der Hundeknochen" vor dem Cap de Barbaria
Das Buch „Der Hundeknochen“ vor dem Cap de Barbaria

Mein erstes Geld in Peseten verdiente ich bei dem Wochenblatt „Ibiza Nachrichten“. Und ich fand die Finca, in der ich noch heute lebe. Später schrieb ich Artikel für die „IZ“, eine Inselzeitung, die auf Mallorca gemacht wurde. Nebenbei habe ich Geschichten für Zeitschriften in Deutschland verfasst. Doch ich wollte mehr. Mein erstes Buch hieß „Ferien unter Schmugglern“, ein Jugendbuch, in dem ich meine Erlebnisse auf den Kanarischen Inseln verarbeitet habe. Ähnlich machte ich es mit meinem ersten Krimi, der viel mit meiner Reise nach Indien zu tut hat und den ich dem Dortmunder Grafit-Verlag vorlegte. Dem Verleger gefiel meine Idee. Wie wäre es, so riet er mir, wenn du nach diesem Erfolg – der WDR hatte das Buch mittlerweile zu einem Hörspiel verarbeitet – einen Kriminalroman nachlegen würdest, der das Ruhrgebiet mit deiner neuen Wahlheimat auf den Balearen verbindet? Das war’s! Ich entwickelte die Figur des Duisburger Privatdetektivs Elmar Mogge, der Fälle auf den Pityusen lösen soll. Der erste mit dem Titel „Der Hundeknochen“ bringt meinen Ermittler nach Formentera, der zweite heißt „Bienenfresser“ und spielt zum größeren Teil auf Ibiza.

Und Ihre Frau?

Während ich fortan am Schreibtisch saß, hatte meine Frau damit begonnen, Mode zu entwerfen. Kleider, Blusen, Röcke, Hosen, die sie von den einheimischen, sehr talentierten Frauen schneidern ließ. Als Spanien dann näher an Europa rückte und die Gesetze liberaler wurde, machte sie eine Boutique auf, die sie dann bis vor Kurzem führte.

Ihr Formentera Reiseführer ist ja nicht „nur etwas anders“, sondern hat einen ganz anderen Aufbau. Wie kam es dazu?

Formentera Reiseführer von Niklaus Schmid
Der etwas andere Formentera Reiseführer

Ich hatte für Merian zwei Reiseführer geschrieben, einen der Mallorca und einen, der Ibiza und Formentera behandelt. So in der klassischen Art von A wie Ankunft bis Z wie Zoll. Doch was mir vorschwebte war, eine Art Insellesebuch, kein klassischer Formentera Reiseführer, allein über über meine Wahlheimat. Formentera lediglich angehängt, das sollte nicht sein. Von den Verlegern hörte ich stets, man könne über eine Insel mit 5.000 Einwohnern, die nur 82 Quadratkilometer groß ist, kein ganzes Buch machen. Nein, viel zu klein, zu wenig los. Das hat mich angestachelt. Ein anderes Konzept musste her. Also schrieb ich alles auf, was ich bis dahin auf Formentera von den Einheimischen und den Residenten aufgeschnappt hatte, ob Anekdoten oder Rezepte. Dazu eigene Erlebnisse. Und ich notierte, wie sich die Insel, was die Pflanzen und Tiere und auch die Besucher angeht, im Laufe eines Jahres verändert. So ergab sich zwangsläufig, dass ich das Buch in Monate unterteilte. Es beginnt im März, wenn die Insel aus dem Winterschlaf erwacht, und endet im Februar.

Welche Jahreszeit davon bevorzugen Sie persönlich am meisten?

Ach, ich versuche es mal andersherum: Kommt nie im August!, rate ich Freunden. Die Strände sind voll, die Hotels überbelegt, die Kellner schwitzen und sind nervös. Wählt die Vor- oder Nachsaison, dann ist Formentera überall schön.

Und wo ganz besonders? Ihr Tipp, den sie uns verraten können.

Meine Lieblingsstelle ist das Cap de Barbaria. Am liebsten bin ich dort am späten Nachmittag. Wenn in der Dämmerung der Leuchtturm zu blinken beginnt, hat man das Gefühl nicht nur am südlichsten Zipfel der Insel, sondern am Ende der Welt zu sein. Nahe dem Leuchtturm gibt es eine Höhle. Wer sich durch den schmalen Einstieg zwängt, den erwartet ein spektakulärer Ausblick auf das tosende Meer in mehr als hundert Meter Tiefe. Etwas Besonderes ist auch der Römerweg, der an der Küste entlang zur Hochebene La Mola führt, wo sonntags und mittwochs am späten Nachmittag der Kunsthandwerkmarkt stattfindet. Den Besuch des sogenannten Hippiemarktes sollte man um einen Spaziergang oder einer Weiterfahrt zum äußersten Ende der Hochebene erweitern. Denn dort, hart an der Klippe, steht neben dem Leuchtturm  ein Gedenkstein für Jules Verne, dessen utopischer Roman von der „Reise durch das Sonnensystem“ zum Teil auf Formentera spielt. Vorsicht! Wer nachts längere Zeit in das kreisende Lichtrad des Leuchtturms schaut, der begibt sich auf eine magische Reise. Doch ja, es gibt Besucher, die wollten anschließend nicht mehr weg von der Insel – oder sie kamen nach dem ersten Besuch immer wieder.

Wie ist es da bei ihnen? Wollen sie nie mehr weg?

Doch! Zwei Mal im Jahr verlasse ich die Insel. Zum einen, um Lesungen zu machen, zum anderen um Freunde zu besuchen, aber auch um den Kontakt zur Sprache zu halten. Denn ich will wissen, was die Menschen in Deutschland beschäftigt. Im Alltag. Hier auf Formentera geht es bei meinen Landsleuten sowie den meisten Touristen ganz allgemein doch eher um andere Themen: Schreibe ich eine Postkarte oder genügt eine SMS? Wo gibt es das beste Essen? Was nehmen wir als Souvenir mit nach Hause?

Womit beschäftigen Sie sich im Moment? Es ist ja recht heiß zurzeit.

Stimmt. Trotz der Hitze – ich schau mal kurz – es sind 33 Grad, muss ich arbeiten. Die Zeit drängt. Letzter Schliff an einer Kurzgeschichte, die am 1. September 2017 erscheinen soll. Also noch rechtzeitig vor der Bundestagswahl. Die Geschichte heißt „Müntefering singt“.

Wir bedanken uns herzliche bei Niklaus Schmid für die wunderbare Reiselektüre und für die interessanten Einblicke in sein Werk sowie sein Leben auf Formentera.


Formentera Reiseführer und Krimis von Niklaus Schmid

  • Der Hundeknochen, Grafit Verlag
  • Bienenfresser, Grafit Verlag
  • Formentera – Der etwas andere Reiseführer, Reise Know-How
  • Ibiza und Formentera, Merian live
  • Ibiza und Formentera, Merian Momente

Weitere Infos zum Autor auf: http://www.niklaus-schmid.de/