Vom Aussteigen auf Ibiza – Interview mit Caroline Möllers

Aussteigen auf Ibiza, raus aus dem deutschen Hamsterrad – diesen Traum träumen viele Deutsche Ibiza-Urlauber. Einige davon träumen ihn ewig, ohne ihn zu verwirklichen, andere versuchen sich daran und geben wieder auf. Ein paar trauen sich und haben Erfolg. Zu Letzteren gehört Caroline Möllers. Wie sie es geschafft hat sich ihren persönlichen Traum vom Aussteigen auf Ibiza zu verwirklichen, hat sie uns im Interview an der Cala Pada verraten.

Vom Aussteigen auf Ibiza Caroline Möllers an der Cala Pada.

Die erste Berührung Ibizenkischen Bodens

Freunde meiner Eltern hatten ein Haus in Siesta. Da war ich vor 15 Jahren mit meinen Eltern. Als ich aus dem Flieger gestiegen bin und den Boden berührt habe, dachte ich mir damals schon: Ich fühle mich hier zu Hause, obwohl ich die Insel noch gar nicht gesehen hatte. Wir wurden mit einem alten Polo abgeholt und alles war staubig, weil es die Asphaltstraßen noch nicht gab und mir sind gleich die ganzen Club-Opening-Plakate ins Auge gestochen.

Dieser Anblick hat mich sehr an meine Zeit in Amerika, Montana, erinnert und es hat sich direkt total vertraut angefühlt. Außerdem hatte ich ab dem ersten Moment auf Ibiza keine Kopfschmerzen mehr, die mich bisher immer und überall geplagt hatten. Nach diesem Urlaub war klar, dass ich wieder zurückkommen muss.

Pendeln zwischen Köln und Ibiza

Nach dem ersten Ibiza-Urlaub mit meinen Eltern war ich noch ein paar Mal mit Freunden hier. Gerade während dem Studium in den Semesterferien konnte ich für mehrere Wochen kommen. Nach meinem Studium bin ich beim Film gelandet und war Regieassistentin bei „Alarm für Cobra 11“. Da gab es sechs Blöcke im Jahr mit jeweils sechs Wochen Drehzeit und ein bis zwei Wochen drehfreier Zeit, die ich immer auf Ibiza verbracht habe. Als es dann so weit war, dass ich fast genauso viel Zeit auf Ibiza verbrachte wie in Deutschland, stellte sich mir die Frage, ob ich mein Leben nicht ganz dorthin verlagern möchte.

Auch wenn ich in Köln meine Familie und meine Freunde um mich hatte und obwohl mir mein Job viel Freude bereitet hat, hat mir immer irgendwas gefehlt und ich hatte immer diese Kopfschmerzen. Mein Job war zwar inhaltlich genau das, was ich machen wollte, aber das Tagespensum von ca. 16 Stunden war enorm. Ich hatte keine Beziehung. Zudem hat es mir gefehlt, Tiere zu haben. Allem voran wollte ich immer Kinder haben und konnte mir das in meinem damaligen beruflichen Umfeld nicht vorstellen. Also habe ich mich endgültig entschieden auszuwandern.

Vorbereitung auf den Ausstieg

Da ich schon immer gerne gekocht und gebacken habe, war mein Plan, auf Ibiza ein kleines, feines Café aufzumachen. Zu dieser Zeit gab es auf der Insel nur wenig guten Kaffee, das wollte ich ändern und ich hatte diesen Traum von einem Café mit leckerem Kaffee, und gesundem selbstgemachtem Essen. Dann habe ich Pepe, den Chef vom Siesta Grill, am Flughafen kennengelernt. Er fragte mich nach meinem Plan, der folgendermaßen aussah: Zurück nach Deutschland fliegen, alles vorbereiten, Geld sparen und dann nach Ibiza zurückkommen, um mein Café aufzumachen.

Weil Pepe zu diesem Zeitpunkt darüber nachdachte, den Grill wegen Überlastung aufzugeben, hat er mich direkt gefragt, ob ich nicht einfach für ihn arbeiten möchte. Beim nächsten Besuch war ich dann zum ersten Mal in seinem Restaurant, wo er mich erneut ermutigte, bei ihm einzusteigen. Auch meine Eltern haben mich dazu ermutigt, weil es eine gute Möglichkeit war zunächst einmal in der Gastronomie Fuß zu fassen, mein Spanisch zu perfektionieren. Das hab ich dann gemacht und bin immer noch dort.

Vom Café zum Grill

Ich bin im März 2010 angekommen, habe meinen Mietvertrag unterschrieben und habe dann bald auf einer Party von einer Freundin meinen jetzigen Mann kennengelernt, der auch vom Film kommt und ebenfalls gerade ausgestiegen war. Im April 2010 sind wir direkt zusammengezogen und 2012 war unser Sohn unterwegs. Als er auf die Welt kam war es zum Glück auch kein Problem zwischenzeitlich im Grill auszusteigen und danach auf reduzierter Basis wieder einzusteigen. Seitdem arbeite ich dort an drei Tagen in der Woche und kümmere mich sonntags eigenständig ums Restaurant.

Da mein Mann auch selbstständig ist, bietet meine Anstellung für unsere Familie Sicherheit. Mir persönlich und besonders in meiner Verantwortung als Mutter ist es wichtig neben der Freiheit einen gewissen Grad an Sicherheit mit einem entsprechenden finanziellen Polster, einer Krankenversicherung und Altersvorsorge zu haben. Das bietet mir der Job im Grill. In der restlichen Zeit und im Winter kann ich mich um meine eigenen Projekte kümmern und natürlich Mutter sein. Das ist für mich Lebensqualität und deshalb bin ich hier. In Deutschland geht so etwas nicht.

Ein eigenes Herzensprojekt

Neben meinem Job im Grill absolviere ich gerade ein Studium an einer österreichischen Uni als Herbalistin. Das heißt ich produziere Öle und Cremes auf pflanzlicher Basis, die ich hier auf Ibiza verkaufe. Im Winter und vor allem im Frühjahr, wenn die Blumen blühen, stelle ich meine Öle her. Ich mache außerdem viel Yoga, arbeite zusammen mit einem Akupunkteur, der sich zudem mit pflanzlicher Heilwirkung befasst. In diesem Gebiet möchte ich mich weiterentwickeln und habe auch gelernt, dass man nie zu alt ist, um etwas Neues anzufangen.

Auch das ist in Deutschland, wo der berufliche Weg am besten schon nach dem Abi festgelegt wird, schwierig. Ich habe das am eigenen Leib erfahren, als ich gegen meine innere Überzeugung ein Jurastudium angefangen habe und mich viel zu lange bis zum achten Semester gequält habe. Irgendwann wurde ich unter diesem enormen Druck psychisch krank und habe endlich gemerkt, dass ich so nicht glücklich sein kann. Danach bin ich zum Film und als immer noch was gefehlt hat, kamen Ibiza, meine Familie und die Naturverbundenheit.

Das Schöne am Leben auf Ibiza

Ich mag das Saisongeschäft, das ist ähnlich wie ein Block beim Film. Es gibt den Sommer, in dem man alles gibt und in den Wintermonaten schläft alles ein bisschen ein und man kann sich entspannen. Im Winter ist zudem einiges geboten, man kann Freunde treffen, Workshops machen, es gibt trotzdem noch nette Partys. Ich finde es toll, wie mein Kind hier groß wird.

Hausaufgaben kann man am Strand machen, die Kinder wachsen zu einem großen Teil draußen auf und lernen einen respektvollen Umgang mit der Natur, es gibt ein tolles und bezahlbares Sportangebot, Musik ist hier ganz wichtig. Im Gegensatz zu Deutschland, wo Kinder im vorgegebenen System funktionieren müssen und in Kisten gesteckt werden, können sie sich hier frei entfalten und lernen die unterschiedlichsten Nationalitäten kennen und gehen wertfreier und offener mit anderen Kulturen und Lebensweisen um.

Insgesamt habe ich das Gefühl, dass es hier weniger Menschen psychisch schlecht geht als in Deutschland. Natürlich gibt es auch auf Ibiza Menschen, die Depressionen haben, aber das Ausmaß ist meines Erachtens ein ganz anderes. Viel macht da natürlich die Sonne aus aber eben auch diese Lebensfreiheit. Wir sind hier in Europa, haben europäische Normen, die ich gut finde. Ich habe hier nie Angst, es gibt keine übermäßige Korruption und man ist auch schnell in Deutschland bei der Familie wenn es erforderlich ist.

Hand aufs Herz: Was nervt?

Es ist hier einfach so, dass man sich auf Aussagen und Terminvereinbarungen von Geschäftspartnern, Handwerkern, etc. nicht in der Weise verlassen kann, wie das in Deutschland der Fall ist. Die Sache ist aber, dass das nicht unbedingt etwas Schlimmes ist und dass man lernen kann damit umzugehen, die Situationen so anzunehmen wie sie sind. Genau diese Einstellung hat auch gegen meine Kopfschmerzen geholfen.

Was besser sein könnte, ist die medizinische Versorgung. Ich persönlich hatte nie Probleme, und bin immer einfach aber gut versorgt worden. Aber mein Mann hatte einen Herzinfarkt und wurde auf Mallorca notversorgt, was toll war. Alles was jedoch danach an Nachsorge kam, war und ist eine absolute Katastrophe. Man hat unwahrscheinlich lange Wartezeiten, wenn man einen Termin beim Spezialisten braucht.

Man ist auch in offiziellen Dingen sehr auf sich selbst gestellt und man bekommt wenig Unterstützung vom Staat. Es gibt kein Kindergeld, nur wenige arbeitsrechtliche Regelungen zum Mutterschutz. Alles was man hier beantragen kann und muss, muss man sich selbst erarbeiten. Von Steuerberatern, auf Ämtern oder auch beim Arzt bekommt man oft falsche Informationen, es werden Informationen vorenthalten oder zumindest nicht proaktiv gegeben, sodass man sich in solchen Dingen eigenverantwortlich informieren muss.

Das Schulsystem für weiterführende Schulen ab der siebten Klasse ist sehr eingeschränkt und die Privatschulen sind meines Erachtens überteuert. Ich fände es schön, wenn es hier mehr und bessere Möglichkeiten für einen internationalen Schulabschluss geben würde.

Was mich außerdem ein bisschen nervt ist, dass hier für Straßenbauprojekte viel Geld ausgegeben wird, dabei aber die Fahrradwege vergessen werden. Ich würde so gerne mit meinem Sohn einige Strecken mit dem Fahrrad fahren. Geht aber nicht, weil es schlichtweg auf der Straße zu gefährlich ist.

Ibiza für immer?

Wenn mich jemand fragt, ob ich für immer hier bleiben will, kann ich das weder mit Ja noch mit Nein  beantworten. Man weiß nicht, wie sich die Insel entwickelt und es gibt auch Entwicklungen hier, die weniger schön sind. Dass die Mietpreise aktuell ins unermessliche steigen, sodass man als Einheimischer kaum noch bezahlbaren Wohnraum findet, macht mir wirklich Sorge.

Dass insgesamt der Reichtum und Luxus mit einer Aneinanderreihung von teuren Beachclubs und schicken Bars die keinen Platz für eine bodenständige, rustikale Gastronomie lassen, so überhandnimmt, ist ebenfalls traurig. Man sagt ja, dass sich die Insel alle 7 Jahre selbst reinigt und ich hoffe, dass das bald der Fall ist und die Luxuswelle kollabiert. Aber selbst wenn das nicht der Fall ist und ich Ibiza irgendwann verlassen werde weiß ich hundertprozentig, dass Deutschland keine Option mehr sein wird.


Caros Lieblingsplätze auf Ibiza

Leben: Ich liebe Sant Carles. Man hat alles was man braucht – Supermärkte, Apotheke, man kann gut Essen gehen, man hat Spielplätze und viele Strände in der Nähe

Mittagessen: Restaurant San Carlos – sehr günstiges und gutes Mittagsmenü

Abendessen: Grill Siesta – Fisch und Fleisch vom Grill mit Top Preisleistungsverhältnis (und Caro bringt das Steak persönlich an den Tisch)

Eis: Viccio in San Carlos – Unter den Top10 in ganz Spanien

Fisch: Bar Toni an der Cala Pada – Seezunge mit Meerblick

Tapas: Bar Can Toni Curreu zwischen Santa Eulària und Sant Carlos – Freundlicher Service und leckere Tapas, Top Preisleistung

Ibiza Musiktip: Thottrup & Denver Knoesen „Rising like the Sun“ (Das Video wurde von Caro produziert)


Liebe Caro, wir danken dir für das enspannte Interview, die Einblicke in deine persönliche Geschichte vom Aussteigen auf Ibiza und die tollen Tipps. Wir freuen uns schon darauf, dich bei unserem nächsten Besuch im Siesta Grill wiederzusehen.